Kommunikationsbericht im Parlament
Wien, 1. Oktober 2024 – Mit 1. März 2022 ist in Österreich eine umfassende Urheberrechts-Novelle in Kraft getreten, die auch neue Auflagen für große Online-Plattformen brachte. Diese müssen seither stärker darauf achten, dass durch hochgeladene Inhalte von Nutzer:innen keine Urheberrechte verletzt werden. Das hat bei vielen die Befürchtung ausgelöst, dass die Plattformen präventiv auch legale Inhalte blockieren könnten. Offenbar weitgehend unbegründet, wie dem Kommunikationsbericht 2023 (III-1221 d.B.) zu entnehmen ist. Zumindest bis Ende 2023 hat es demnach keine Beschwerden über überschießende Upload-Filter bzw. mangelhaftes Beschwerdemanagement bei der Rundfunk- und Telekom-Regulierungsstelle RTR gegeben. Daher musste auch die KommAustria als Aufsichtsbehörde nicht einschreiten.
In Bezug auf den Medienbereich macht der dafür zuständige RTR-Geschäftsführer Wolfgang Struber darauf aufmerksam, dass der Abfluss von Werbegeldern aus Österreich in Milliardenhöhe an internationale Medien-Großkonzerne die Refinanzierung der Angebote heimischer Medienhäuser und deren Weiterentwicklung immer schwieriger mache. Der Erhalt österreichischer Medien und Informationen sei aber Grundlage für den demokratiepolitischen Diskurs im eigenen Land, betont er. In diesem Sinn misst Struber öffentlichen Förderungen eine große Bedeutung zu. Auch mit dem zunehmenden Einsatz künstlicher Intelligenz (KI) im Mediensektor hat sich die RTR 2023 eingehend beschäftigt.
Radio- und Fernsehnutzung
Einen großen Teil des Kommunikationsberichts nehmen Informationen zur Radio- und Fernsehnutzung sowie zur Marktentwicklung im Rundfunkbereich ein. So wird etwa darauf verwiesen, dass das lineare Fernsehen im Jahr 2023 im Schnitt täglich 64,4 % der Bevölkerung im Alter ab 12 Jahren erreichte. Damit fiel der Wert – nach einem Peak in den Corona-Jahren – wieder unter die Vor-Corona-Zeit (2019: 66,4 %, 2018: 65,1 %) zurück. Auch die durchschnittliche Sehdauer nahm im dritten Jahr in Folge ab und sank von 186 Minuten auf 176 Minuten pro Tag. Hingegen nahm die Tagesreichweite der Hörfunkangebote in der Altersgruppe 10+ wieder leicht zu, und zwar von durchschnittlich 74,9 % auf 76 %. In der Zielgruppe der 14- bis 49-Jährigen wurde sogar ein signifikanter Anstieg der Hördauer auf 200 Minuten pro Tag (+13 Minuten) erzielt.
Was die Marktentwicklung betrifft, konnten ausländische TV-Programme zum zweiten Mal in Folge leicht an Boden gewinnen, mit einem Marktanteil von 53,5 % erreichten sie die Werte von 2020 (54,9 %) jedoch nicht ganz. Für die ORF-Fernsehflotte wird für 2023 ein Marktanteil von 33,8 % (2022: 34,6 %) ausgewiesen. Bei den österreichischen Privatprogrammen konnte ServusTV mit 4,3 % seine Marktführerschaft behaupten, stagnierte laut Bericht aber erstmals seit neun Jahren.
Deutlich mehr Einbußen als die ORF-Fernsehflotte verzeichneten die ORF-Radios: Ihr Marktanteil ging 2023 zum zweiten Mal in Folge um fünf Prozentpunkte auf nunmehr 50 % in der Gruppe der 14- bis 49-jährigen Hörer:innen zurück. Das größte Minus hatte dabei Ö3 mit 3 Prozentpunkten.
Online-Medien
Rechnet man klassisches Fernsehen und alternative Online-Angebote zusammen, kommt man laut Bewegtbildstudie 2023 in der Bevölkerungsgruppe 14+ auf einen täglichen Bewegtbildkonsum von durchschnittlich 246 Minuten pro Tag, wobei das traditionelle lineare Programmfernsehen weiterhin die mit Abstand meistgenutzte Bewegtbildquelle ist. Allerdings konnte das Streamen klassischer TV-Programme – live oder zeitversetzt – geringfügige Zuwächse verzeichnen. Reine Online-Quellen wie Netflix, YouTube oder diverse Social-Media-Kanäle trugen mit durchschnittlich 52 Minuten (21,1 %) pro Tag zum Bewegtbildkonsum bei. Wobei junge Menschen im Alter von 14 und 29 Jahren reine Online-Angebote mit einem Anteil von 48,9 % deutlich häufiger nutzten.
Beliebtestes audiovisuelles Online-Medium bei der Bevölkerung ab 14 Jahren war 2023 YouTube, das trotz eines Rückgangs um drei Zehntelprozentpunkte mit einen Anteil von 4,3 % am Bewegtbildkonsum Netflix (2023: 4,1 %, 2022: 4,6 %) überflügeln konnte. Dahinter folgen die Mediatheken der TV-Programme und TV-Livestreams. Amazon Prime Video kam auf einen Anteil von 2,1 %. Bei den 14- bis 29-Jährigen führt ebenfalls YouTube (11,5 %) vor Netflix (8,1 %), TV-Livestreams (8 %) und TV-Mediatheken (6,9 %). Dahinter reihen sich mit etwas Abstand Amazon Prime (3,6 %), TikTok (3 %)Instagram (2,8 %), Twitch (2,6 %), Disney+ (2,3 %), WhatsApp (1,5 %) und Snapchat (1,2 %) ein. Facebook konnte hingegen nicht einmal mehr einen Nutzungsanteil von 1 % erzielen und ging damit im Feld sonstiger genutzter Online-Quellen auf.
Stetig beliebter werden auch Online-Audioangebote: 91 % der Österreicher:innen mit Internetzugang ab 15 Jahren nutzten 2023 Angebote wie Musikstreaming, Web-Radios, Podcasts oder Radiosendungen zum Nachhören, 49 % täglich oder fast täglich.
In Zusammenhang mit ihrer neuen Aufgabe als zuständige Behörde für die Bekämpfung und Eindämmung terroristischer Online-Inhalte hat die KommAustria 2023 zwei Entfernungsanordnungen an einen Hostingdienstanbieter in einem anderen EU-Mitgliedstaat versandt, denen der Dienstanbieter Folge geleistet hat.
Barrierefreiheit und Jugendschutz in audiovisuellen Medien
Was die seit 2021 geltenden Vorgaben für audiovisuelle Mediendienste in Sachen Jugendschutz und Barrierefreiheit betrifft, wird im Kommunikationsbericht eine grundsätzlich positive Bilanz gezogen. Demnach stiegen barrierefreie Angebote von privaten TV-Sendern und Abrufdiensten wenn auch nur langsam, so doch kontinuierlich an. Die meisten Aktionspläne seien eingehalten worden, heißt es dazu im Bericht. Allerdings ist der Abstand zum ORF, der 2023 bereits mehr als die Hälfte seines TV-Programms und seines ORF-TVthek-Angebots – inklusive Live-Sportsendungen – barrierefrei anbot, nach wie vor enorm. Überdies wird im Bericht kritisiert, dass es im Informationsbereich sogar zu Verschlechterungen gekommen ist: Sich zu informieren und am öffentlichen Diskurs teilzunehmen, sei für Menschen, die auf barrierefreie Angebote angewiesen sind – abseits des ORF – schwierig.
Beim neuen Jugendmedienschutzverein sind 2023 sechs förmliche Beschwerden wegen eines Verstoßes gegen selbst auferlegte Verhaltensrichtlinien zum Schutz Minderjähriger eingelangt. Beanstandungen gab es – bei einem noch offenen Fall zum Jahresende – keine.
Fortschritte beim Digitalen Hörfunk
Fortschritte sind dem Bericht zufolge beim Digitalen Hörfunk zu verzeichnen. Gemäß einer Studie des Marktforschungsinstituts Ipsos waren im Jahr 2023 bereits 30 % der österreichischen Haushalte mit mindestens einem DAB+-fähigen Empfangsgerät ausgestattet. Das ist, wie schon 2022, ein signifikanter Zuwachs um fünf Prozentpunkte gegenüber dem Vorjahr, wobei der Großteil des Zuwachses auf Autoradios zurückgeht. Seit Anfang 2021 ist der Einbau DAB+-fähiger Autoradios in Neuwagen vorgeschrieben. Es wurden aber auch knapp 88.000 DAB+-fähige Tischradios und stationäre Musikanlagen verkauft, während die Verkaufszahlen für reine UKW-Radios sukzessive zurückgehen (2023: 206.000, 2022: 284.000, 2021: 318.000). Das Angebot bestand 2023 aus 31 digitalen Radiosendern, die über zwei Multiplex-Plattformen (MUX I und MUX II) verbreitet wurden, 16 davon bundesweit und 15 im Großraum Wien. In der zweiten Jahreshälfte wurde zudem eine bundesweite regionalisierbare Plattform (MUX III) ausgeschrieben.
Fonds zur Förderung der digitalen Transformation
Großes Interesse besteht laut Bericht auch am “Fonds zur Förderung der digitalen Transformation”, der zur Stärkung österreichischer Medienunternehmen eingerichtet wurde. Im Rahmen des Einreichtermins 2023 wurden Projekte mit einem Fördervolumen von insgesamt 48 Mio. € eingereicht und damit mehr als doppelt so viel wie Fördermittel zur Verfügung standen. 115 Ansuchen von Rundfunkveranstaltern und Printunternehmen wurden gefördert, darunter 38 Projekte für die Anreizförderung, 11 Projekte für Digitaljournalismus, 60 Projekte für digitale Transformation sowie sechs Projekte für Jugendschutz und Barrierefreiheit. Auch beim Einreichtermin 2024 gab es einen ähnlichen Andrang, wobei dem Bericht zufolge immer mehr Projekte auf den Einsatz künstlicher Intelligenz (KI) abzielen.
Werbeausgaben und Digitalsteuer
Im Bereich des Werbemarkts setzte sich der Trend zu steigenden Ausgaben für Online-Werbung fort, wobei einer Momentum-Studie zufolge rund 82 % der Online-Werbeausgaben an globale Plattformen wie Google, Facebook, Amazon und Tiktok fließen. Daneben konnten auch der Hörfunk-Bereich (mit Ausnahme des ORF-Radio), die Außenwerbung und die Kinowerbung leicht zulegen. Ein deutliches Minus gab es hingegen für Tageszeitungen, deren Bruttowerbeerlöse um 3,9 % zurückgingen. Auch der übrige Printbereich und das Fernsehen gehörten 2023 zu den Verlierern, wobei das TV mit 1,36 Mrd. € nach wie vor die höchsten Bruttowerbeerlöse erzielt.
Dass viel Werbegeld aus dem österreichischen Markt abfließt, zeigen auch die Erlöse aus der Digitalsteuer, die 2023 mit rund 103 Mio. € erstmals die Einnahmen aus der Werbeabgabe (94,8 Mio. €) überstiegen.
Werberat und Presserat
Beim Österreichischen Werberat wurden 2023 334 Beschwerden eingebracht und 235 Entscheidungen getroffen. Das sind deutlich weniger Fälle als in den vergangenen Jahren (2022: 503 Beschwerden). In 15 Fällen wurde eine Aufforderung zum sofortigen Stopp des Sujets bzw. der Kampagne ausgesprochen, achtmal wurde dieser Aufforderung sofort oder innerhalb der ersten Nachfrist nachgekommen. Dazu kommen 20 weitere Fälle, in denen die Unternehmen ihre Werbemaßnahmen bereits nach der ersten Kontaktaufnahme durch den Werberat von sich aus zurückgenommen oder abgeändert haben. 18-mal hat der Werberat empfohlen, bei der Gestaltung von Werbemaßnahmen bzw. einzelner Sujets künftig sensibler vorzugehen.
Keinen Grund zum Einschreiten sah das Gremium hingegen in 27 Fällen. In weiteren 41 Fällen wurde die Beschwerde nach einer Behandlung im kleinen Senat abgewiesen. Für die restlichen Beschwerden war der Österreichische Werberat nicht zuständig bzw. ein Verfahren wegen fehlender Unterlagen nicht möglich.
Der weitaus häufigste Beschwerdegrund betraf geschlechterdiskriminierende Werbung (122). Dahinter folgen die Bereiche Ethik und Moral, Gefährdung von Kindern und Jugendlichen sowie Irreführung und Täuschung. Aufgeschlüsselt nach betroffenen Werbemedien lagen Social-Media-Ads (55) vor Plakaten (44) und TV-Spots (41) an der Spitze.
Auch die an den Presserat herangetragenen Fälle sind neuerlich zurückgegangen: Insgesamt hat das Selbstkontroll-Organ der Presse 407 Fälle behandelt (2022: 435, 2021: 647), bei vier davon wurde es aus eigener Wahrnehmung tätig.
Weitere Kapitel des Berichts befassen sich u.a. mit diversen Förderschienen – etwa dem Fernsehfonds Austria zur Förderung der heimischen Filmbranche, der Rundfunkförderung und der Presse- und Publizistikförderung –, der Vergabe und Koordinierung von Frequenzen, der regulatorischen Aufsicht über den ORF und über private Rundfunk-Anbieter sowie mit den Meldungen gemäß Medientransparenzgesetz. (PK/IIM)