Föderl-Schmid kritisiert schwarz/grüne Medienpolitik
Wien, 25. April 2023 – Welche Macht haben die Medien in Österreich? Vor welchen Herausforderungen stehen sie? Und welche Rolle wird Künstliche Intelligenz in Zukunft spielen? Um diese und andere Fragen ging es gestern Abend bei einer Podiumsdiskussion im Parlament zum Thema “Medien. Macht. Meinungsvielfalt”, zu der die Austria Presse Agentur (APA) und die Parlamentsdirektion ins Hohe Haus geladen hatten. Am Podium saßen Alexandra Föderl-Schmid (Süddeutsche Zeitung), Johannes Bruckenberger (APA), Karl-Heinz Grundböck (Parlamentsdirektion), Corinna Milborn (PULS 4) und Andre Wolf (Mimikama). Die stellvertretende Chefredakteurin der Süddeutschen Zeitung Alexandra Föderl-Schmid hielt davor eine Keynote zu aktuellen medienpolitischen Entwicklungen in Österreich.
Bereitstellung von Basisinformation als Gemeinsamkeit von APA und Parlamentsdirektion
Parlamentsdirektor Harald Dossi wies in seinen Eröffnungsworten auf Ähnlichkeiten in der Aufgabenstellung von APA und Parlamentsdirektion hin. Wie die APA verstehe es auch die Parlamentsdirektion als Teil ihrer Aufgabe, Medienvertreter:innen bei ihrer Arbeit zu unterstützen und Informationen zur Verfügung zu stellen, die den Journalist:innen als Grundlage für Einordnungen und Kommentierungen dienen. Dossi betonte dabei insbesondere auch den Anspruch der äquidistanten Berichterstattung in den Kommunikationsangeboten des Parlaments.
Der geschäftsführende Vorstand der APA Clemens Pig nahm in seinen Grußworten Bezug auf die Rolle von Nachrichtenagenturen. Diese stünden weltweit an der Spitze der Informationspyramide. Bis zu zwei Drittel der täglich in den Massenmedien verbreiteten Informationen gehen ihm zufolge direkt oder indirekt auf Agenturen zurück. Dabei bezeichnen sich staatliche Agenturen, die etwa in Russland oder China Teil der Propaganda seien, ebenso als Nachrichtenagenturen wie freie, unabhängige Agenturen, die den globalen “free flow of information” aufrechterhalten wollen. Die APA zähle zu letzteren und sei als privatwirtschaftliche Organisation einzig und allein dem Wertesystem der “true and unbiased news” verpflichtet. In einem Umfeld globaler Krisen und Desinformation sei das Bereitstellen eines Basis-Nachrichtendienstes nicht einfach, aber existenziell notwendig, so Pig. Schließlich gebe es keine freie demokratische Gesellschaft ohne kritischen, unabhängigen Journalismus.
Föderl-Schmid kritisiert Aus für Wiener Zeitung und Beschränkung für orf.at
Kritisch und selbstkritisch legte die stellvertretende Chefredakteurin der Süddeutschen Zeitung Alexandra Föderl-Schmid ihre Keynote an. Kritisch sieht sie etwa geplante Veränderungen der Medienlandschaft, die in der kommenden Nationalratssitzung besiegelt werden sollen. Sie finde es fast bizarr, dass diese Veranstaltung am Vorabend einer Sitzung stattfinde, in der über das Aus für die Wiener Zeitung abgestimmt werde – immerhin die älteste Tageszeitung der Welt. Föderl-Schmid warf der Politik insbesondere vor, nicht mit möglichen Investor:innen über einen Weiterbetrieb der Zeitung gesprochen zu haben. Auch dass mit der Umstrukturierung nun eine Ausbildungsinstitution für Journalist:innen “unter der Ägide des Kanzleramts” geschaffen werde, hält sie für bedenklich.
Positiv erwähnte sie hingegen die geplanten Verbesserungen bei der Transparenz von Regierungsinseraten. Dass es den Begriff “Inseratenkorruption” nur in Österreich gebe, habe einen Grund, sagte Föderl-Schmid, und führte deutlich niedrigere Summen für Inserate etwa in Deutschland und Israel zum Vergleich an. Aus ihrer Sicht steckt eine Geisteshaltung hinter der Entwicklung in Österreich. An der neuen Regelung vermisse sie insbesondere eine Obergrenze für Inserate der öffentlichen Hand und mehr Mittel für den Presserat.
Auch auf die wenige Stunden vor der Veranstaltung vorgestellten Pläne für den ORF nahm Föderl-Schmid Bezug. Die Haushaltsabgabe halte sie für die richtige Finanzierungsform. Auch dass Inhalte in der ORF-TVthek künftig länger als sieben Tage zur Verfügung stehen werden, sei positiv. Als “leicht absurd” bezeichnete sie aber die “mutwillige Beschneidung” von orf.at. Die Begrenzung auf 350 Meldungen sei insbesondere bei spontanen Ereignissen und Krisen nicht praktikabel. Sie glaube zudem nicht, dass damit auch nur ein Digitalabo mehr bei österreichischen Medienverlagen verkauft werde, sagte sie mit Blick auf den Verteilungskampf mit privaten Medienunternehmen. Föderl-Schmid vermisste zudem eine Entpolitisierung des ORF, vor allem im Stiftungsrat.
Insgesamt beinhalte das symbiotische Verhältnis von Politik und Medien in Österreich die Möglichkeit von Missbrauch und habe zu Mutlosigkeit geführt, lautete das abschließende Urteil der Journalistin.
Milborn: Österreichische Medienlandschaft kann nur durch Kooperation erhalten werden
Die ORF-Digitalnovelle war auch in der anschließenden Podiumsdiskussion Thema, wobei sich die Diskutant:innen weitgehend einig darin zeigten, dass den österreichischen Medien mehr Kooperation gut täte. Die Konkurrenz, die die heimische Medienlandschaft insgesamt bedrohe, sitze nicht in Österreich, sondern außerhalb, sagte etwa Corinna Milborn, Info-Chefin von ProSieben.Sat1.PULS4. Vor diesem Hintergrund habe es keinen Sinn, “wenn sich Private und ORF gegenseitig in die Gosch’n hauen”, meinte sie. Auch APA-Chefredakteur Johannes Bruckenberger zeigte sich über die “aufgeputschte Stimmung” unglücklich. “Am Ende führt uns nur Kooperation und Zusammenarbeit weiter”, ist er sich sicher. Föderl-Schmid kann sich insbesondere technische Kooperationen vorstellen, etwa eine gemeinsame Infrastruktur für Bezahlmodelle.
Generell hielt Milborn zum ORF fest, es sei grundsätzlich wichtig, dass es einen gut aufgestellten öffentlichen Rundfunk gebe. Ihrer Meinung nach müsste man aber sicherstellen, dass der ORF tatsächlich unabhängig sei. Die vorgestellte Digitalnovelle sehe hier keine strukturellen Änderungen, etwa bei der Bestellung des Stiftungsrats, vor. Zudem brauche es neben dem ORF auch Raum für Medienvielfalt.
Was “Inseratenkorruption” betrifft, machte Milborn geltend, dass es diese in Österreich schon seit längerem gebe. Diejenigen, gegen die jetzt ermittelt werde, hätten diese nicht erfunden. Milborn ist auch überzeugt, dass das hohe Volumen an Regierungsinseraten dazu beigetragen hat, dass wenig Weiterentwicklung am Printsektor stattgefunden habe.
Zum Thema Macht und Medien erklärte Milborn, wer Journalismus mache, weil er Macht ausüben wolle, sei fehl am Platz. Das Geschäftsmodell von Journalismus sollte immer sein, für Leser:innen, Hörer:innen bzw. Seher:innen zu arbeiten, bekräftigte sie. Gleichzeitig warnte Milborn davor, sich den Algorithmus auf Social-Media-Plattformen zum Vorbild zu nehmen, auch wenn Lüge besser funktioniere als Erklärung und Wut mehr binde als Komplexität.
Bruckenberger: Zu große Nähe zur Politik ist schlecht für Medien
APA-Chefredakteur Johannes Bruckenberger hob hervor, dass die APA als eine von nur 20 unabhängigen Nachrichtenagenturen weltweit versuche, Objektivität und Ausgewogenheit auch in der Berichterstattung zu leben. Die vergangenen Jahre hätten gezeigt, dass eine zu große Nähe zur Politik schlecht für die Medien sei, meinte er. Über Macht werde in der APA-Redaktion nicht geredet, betonte Bruckenberger, “wir reden nur über Journalismus”, also etwa darüber, welche Geschichten man machen und mit welchen Formaten man diese aufbereiten wolle. Für Bruckenberger ist aber auch klar, dass die redaktionelle Unabhängigkeit am Ende des Tages durch finanzielle Unabhängigkeit gesichert wird.
Grundböck: Digitalisierung hat Journalismus verändert
Er habe ein bisschen den Eindruck, dass in der Diskussion nicht ausreichend zwischen Medien und Journalismus differenziert werde, meinte Karl-Heinz Grundböck, Leiter des Dienstes Kommunikation der Parlamentsdirektion. Eine ausreichende Finanzierung von Medien stelle noch nicht zwingend einen Journalismus sicher, den das demokratisch politische System brauche. Im Journalismus werde viel mit Emotionalisierung und Zuspitzung gearbeitet, gab Grundböck zu bedenken, dabei komme die Komplexität von Themen und Diskursen oft zu kurz. Die verbreitete Gereiztheit sei eine große Herausforderung. Grundböck wies zudem darauf hin, dass das Multiplikationsmonopol der klassischen Medien durch die Digitalisierung gebrochen worden sei, was sowohl die Medienlandschaft als auch den Journalismus verändert habe.
Wolf: Viele können nicht zwischen Fakten und Meinungen unterscheiden
Andre Wolf wies darauf hin, dass bei Mimikama – einer Online-Plattform zur Aufklärung von Internetbetrug und Falschmeldungen – die Themen “von unten” geholt würden. Im Mittelpunkt stehe die Frage, was die Leute “da draußen” interessiere. Man müsse aber aufpassen, dass man nicht zu sehr aufheize, betonte Wolf. Man habe bei Mimikama die Erfahrung gemacht, dass viele Menschen nicht zwischen Fakten und Meinungsjournalismus unterscheiden könnten. In Bezug auf Social Media unterstrich Wolf, man müsse diese Plattformen nutzen, um Inhalte anzubringen und die Leute auf die eigenen Kanäle zu leiten. Irritiert äußerte er sich über so manche Förderung für klassische Medien, während Mimikama “gar nichts” bekomme.
Nutzen und Gefahren von Künstlicher Intelligenz
Thema bei der Podiumsdiskussion waren auch Gefahren und Nutzen von Künstlicher Intelligenz. Künstliche Intelligenz könne auch positive Auswirkungen haben und Journalist:innen entlasten, hielt dazu Föderl-Schmid fest. So habe man etwa bei der SZ Künstliche Intelligenz eingesetzt, um rasch Wahlergebnisse auf Wahlkreisebene zur Verfügung stellen zu können. Auch PULS 4 nutzt Künstliche Intelligenz bereits, etwa um Artikel zusammenzufassen, schilderte Milborn. Auch für das Durchkämmen von Dokumenten wäre sie hilfreich. Für wichtig hält es Bruckenberger, KI-Systeme mit faktenbasierten Inhalten zu füllen, um nicht noch mehr Falschinformationen, als es derzeit ohnehin schon gibt, zu produzieren.
Künstliche Intelligenz im Alltag einzusetzen, kann sich auch Wolf vorstellen. Er sprach sich aber für eine entsprechende Kennzeichnung aus. Zudem warnte er davor, Künstliche Intelligenz recherchieren zu lassen. KI dürfe nicht bestimmen, was wichtig sei.
Noch eine andere Gefahr durch KI sieht Milborn. Künstliche Intelligenz werde bereits jetzt stark dafür eingesetzt, um Fake News und Deep Fakes zu produzieren. Man wolle bewusst Zweifel säen, um die Glaubwürdigkeit von Medien und Institutionen gezielt zu untergraben. Damit drohe die Pressefreiheit weiter unter Druck zu geraten.
Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka dankte in seinen abschließenden Worten für die intensive Diskussion. Das Parlament wolle – insbesondere jetzt nach der Rückübersiedlung ins historische Gebäude – ein Haus des Dialogs sein. Das passiere auch über Veranstaltungen und Diskussionen wie dieser. Sobotka unterstrich das Thema Künstliche Intelligenz als besondere Herausforderung für Politik und Medien.
Durch die Veranstaltung führte die stellvertretende Chefredakteurin der APA, Katharina Schell. (PK/IIM)